Warum frühzeitige Kommunikation in der Krisensituation so wichtig ist.
Von Jorge Klapproth.
Ein Flugzeug stürzt ab, eine Bahn entgleist, ein Chemiewerk fliegt in die Luft – die Medienberichterstattung erfolgt sofort. Teilweise wenige Minuten nach dem Geschehen. Unmittelbar Betroffene und traumatisierte Geschädigte oder Zeugen des Unglücks werden, möglichst noch vor Ort mit den Schreckensbildern im Hintergrund, interviewt und um erste Stellungnahmen zum Ablauf des Geschehnisses gebeten. Diese Bilder gehen in minutenschnelle um die ganze Welt. Bilder, die sich verkaufen lassen. Davon lebt eine ganze Branche.
Dem Interesse der Öffentlichkeit in Gestalt der Medienvertreter, der Heerscharen von Reportern und Kameraleuten, kann sich niemand entziehen. Nicht die zu Hilfe geeilten Einsatzkräfte – die Feuerwehrleute, die Sanitäter, die Polizeibeamten –, nicht die unmittelbar Betroffenen, die Anwohner und Zeugen, nicht die verantwortlichen Aufsichtsbehörden und auch nicht die Betreiber von zu Schaden gekommenen Einrichtungen – die Luftfahrtgesellschaft, die Bahn oder das Chemieunternehmen. Alle sollen sofort etwas zum Unglück sagen. Das Bedürfnis nach ersten Informationen und Einschätzungen zur Lage – seien sie auch noch so undifferenziert – ist unersättlich.
Aus diesem Grunde schlägt die gewaltige Medienpower, gerade zu Beginn eines Ereignisses, so unbarmherzig zu. „Nothing sales more than pictures“ – Nichts verkauft sich besser als die ersten Bilder vom Unglück. Das ist Fakt und den Medien nicht vorzuwerfen. Die Öffentlichkeit giert nach diesen Bildern. Die Journalisten machen nur ihren Job.
Frühzeitige Kommunikation in der Krise
Wenn die betroffene Organisation nicht sofort nach Auftreten des Ereignisses sprechbereit ist, so bietet sie viel Raum für Spekulationen. Und das ist der Nährboden für Gerüchte, ungerechtfertigte Schuldzuweisungen und Verdächtigungen. „Schuldig bis zum Beweis des Gegenteils“ – diese Umkehrung des in jeder Demokratie vorherrschenden juristischen Grundsatzes, wonach jeder für unschuldig zu gelten hat, bis ihm eine Schuld oder ein Versagen nachzuweisen ist, findet sich häufig in der Medienberichterstattung bis zur endgültigen Aufklärung des Sachverhaltes. Dies gilt umso mehr, wenn die Verantwortlichen mauern und keine Informationen oder den Hinweis „Kein Kommentar“ an die Presse geben.
Winston Churchill, der berühmte englische Premierminister, soll einmal gesagt haben:
Wartende Journalisten sind gefährlich.
Lange wartende Journalisten sind doppelt gefährlich.
Am gefährlichsten aber sind vergeblich wartende Journalisten,
die untereinander Informationen austauschen.
(Winston Churchill ca. 1936)
Wenn Fakten fehlen, bilden sich schnell Gerüchte und Spekulationen, denen man als Betroffener nur mit zeitnaher Information entgegentreten kann. Das gilt intern gegenüber den eigenen Mitarbeitern, wie für die Öffentlichkeit. Aus diesem Grunde ist es wichtig, dass das betroffene Unternehmen oder die Organisation innerhalb weniger Minuten nach einem Schadensereignis sprechbereit ist und Offenheit und Transparenz gegenüber den Medien sowie die vorbehaltlose Zusammenarbeit mit den ermittelnden Behörden signalisiert. Ansonsten könnte einem das Ereignis „um die Ohren fliegen“, mit gravierenden Folgen für die Betroffenen.
Kommunikation beginnt
An diesem Punkt beginnt die Krisenkommunikation – damit die Kommunikation nicht in der Krise endet. Denn es kommt nicht darauf an, was passiert ist, sondern wie man als Unternehmen oder Organisation damit umgeht. Die Menschen akzeptieren Unglücke – sie akzeptieren aber nicht, wenn ein Unternehmen, eine Behörde oder Organisation versucht, das Geschehnis klein zu reden, zu vertuschen oder mit dem Finger auf andere zu zeigen. Offenheit und Transparenz sind in dieser Situation angesagt. Es kommt darauf an zu zeigen, dass man die Lage erkannt hat und sich kümmert. Sich um Betroffene kümmert, sich um Aufklärung bemüht, die Behörden unterstützt, die eigenen Sicherheitskonzepte überprüft und gegebenenfalls anpasst und dafür sorgt, dass sich ähnliche Vorfälle nach Möglichkeit im Rahmen menschlichen Ermessens nicht wiederholen können. Das schafft Vertrauen. Ansonsten läuft man Gefahr, dass das möglicherweise jahrelang aufgebaute positive Image des Unternehmens oder der Organisation in wenigen Tagen völlig zerstört wird.
Dies führt dann nach der eigentlichen Krise, häufig in die weitaus größere Krise – die Kommunikations- oder Medienkrise mit unabsehbaren Folgen.